25 Nov Fahrtbericht Bergkönig Emmental 2023
von T. G.
Liebe Kameradinnen, liebe Kameraden
Am 26. Und 27. August 2023 war die «Vintage» Fahrradveranstaltung «Bergkönig» erstmals zu Gast in Burgdorf im Emmental. Auch wenn es eher eine Veranstaltung für Rennvelo bis Baujahr 2000 ist, sind auch Militärfarräder, Postfahrräder usw. zugelassen – ein wichtiger Bestandteil ist auch das dazu passende Tenu. Daher habe ich diesen Bericht verfasst, um euch an meinen Erlebnissen auf dem Anlass und auf der Fahrt teilhaben zu lassen.
War mir der Weg nach Gstaad, mitsamt Besorgen einer Unterkunft und Transport des Rades eher zu aufwändig, war die Lage dieses Mal anders – habe ich doch meinen Wohnsitz in Burgdorf, womit die Anreise auf wenige hundert Meter reduziert wurde, und auch die Unterkunft ist natürlich am Ort vorhanden. Somit erfolgte die Anmeldung zu dem Anlass sehr früh, und auch das einzusetzende Fahrrad stand schnell fest – es sollte das Ordonnanzrad 05 mit der Nummer 616 aus 1907 sein. Hatte es doch schon im letzten Jahr bei einer Veranstaltung in Deutschland seine Einsatzfähigkeit bewiesen. Es bekam noch ein 22er Ritze montiert, um die immerhin etwa 1100 Höhenmeter ein wenig fahrbarer für mich zu gestalten, der Torpedo wurde noch einmal frisch gewartet und das Rad mit Öl optisch etwas aufgebessert – und dann kam es doch etwas anders.
Am 26. August war es dann endlich soweit, gemäss den erhaltenen letzten Weisungen konnte die Startnummer samt Unterlagen schon ab 9.00 abgeholt werden, was ich auch erledigt habe um Gedränge zu späterer Zeit zu vermeiden. Das Wetter war als sehr regnerisch gemeldet, bei der Abfahrt in die Burgdorfer Altstadt war es aber noch trocken. Dies änderte sich mit Erhalt der Startunterlagen, es fing relativ fest an zu regnen. Da ich nicht unbedingt durch den Regen zurück wollte, und das Rad mittlerweile auch schon unter den anderen Teilnehmern etwas Interesse geweckt hatte, nahm ich mir Zeit Fragen zu dem Rad zu beantworten, aber auch die historischen Rennvelo der weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie die Stände der Aussteller zu besichtigen. Leider dauerte der Regen länger an, so dass ich den Rückweg dann im Regen antrat.
Der Start des Bergkönigs war für 17.30 angesetzt, eine kurze Runde durch Burgdorf als Präsentation der Teilnehmenden für das Publikum stand auf dem Programm, sowie danach ein offeriertes Burgdorfer Feierabendbier. Auch eine Preisverleihung stand auf dem Programm, und ja, ich habe da schon ein wenig gehofft dass das 616 und meine Person in der (leider nur fast kompletten) Ord 1940 Uniform einen Preis bekommen. Also Uniform angelegt und auf den Weg gemacht, der Regen war mittlerweile vorbei, und es war schon wieder eher zu warm in dem Wollzeug – aber da musste ich durch. Bei meiner Ankunft am Start waren schon viele Teilnehmende anwesend, und man bereitet mir einen überraschenden Empfang. Es wurde mir applaudiert, viele wollten doch mal ein Föteli machen und es gab einige Fragen – sogar einige ehemalige Radfahrer waren dabei, mit denen ich ein wenig fachsimpeln konnte. Nach kurzer Zeit ging es an den Start für die kleine Rundfahrt durch Burgdorf, dies war keine allzu grosse Herausforderung, lediglich an der Rampe zur Oberstadt musste ich doch schon die ersten Meter das Rad für wenige Schritte stossen.
Nach kurzer Zeit waren wir wieder am Start und konnten bei Sonnenschein den Abend mit einem Burgdorer Bier und interessanten Bekanntschaften ausklingen lassen. Man verlieh mir zudem den «Special Style» Preis samt einem Pokal, was mein Aufsehen noch etwas erhöhte.
Die Wettervorhersage für den eigentlichen Tag des Bergkönig war leider ein Thema, so dass einige Teilnehmer durchaus Bedenken hatten, ob sie überhaupt antreten werden. Mir kamen ehrlich gesagt auch Bedenken, mit dem Rad 616 ohne Böni Bremse zu starten, da neben den Steigungen natürlich auch die Abfahrten nicht ohne sein würden. Und nur mit dem Torpede mit Innenleben aus der Zeit des 1. Weltkrieges und der Stempelbremse bei Nässe war ich doch etwas unsicher, ob dies eine gute Idee sie. Also plante ich für die Fahrt das Cosmos Rad 31920 von 1946 ein. Nicht ganz so aussergewöhnlich vielleicht, aber mit schwarzen Naben ausgestattet auch nicht so ganz alltäglich. Zudem erfuhr ich, dass man eine Stunde früher als geplant mit den Teilnehmern der grossen Runden starten könne – was ich dankbar annahm, da ich sicher nach Heimiswil zur Lueg einen Abschnitt von etwas über 2 km sicher nicht fahren würde können.
Am nächsten Morgen hiess es dann recht früh aufstehen, anlegen und das Rad aus der Werkstatt holen. Es regnete tatsächlich relativ intensiv, so dass ich auch erstmal meinen Radfahrerumhang nutzen konnte. Pünktlich vor dem Start blieb noch kurz Zeit für einen Espresso und gute Wünsche untereinander für die bevorstehenden Herausforderungen. Der Start verlief relativ unspektakulär, geführt von einem Porsche 356 wurden das Feld neutralisiert bis an die Heimiswilbrücke geführt – danach zogen die Rennvelofahrer davon und ich war auf mich allein gestellt – vorerst.
Bis Heimiswil konnte ich fahren, dann eine erste kurze Fusspassage, weiter bis zu dem Anstieg zur Lueg. Das Rad zu stossen war an der ca. 10% Steigung über zwei Kilometer auch nicht gerade einfach, andererseits genoss ich die Aussicht auf die Hügel des Emmentals. Der Regen hatte etwas nachgelassen und nach ca. 30 Minuten war die erste Herausforderung überwunden.
Über die Lueg ging es weiter nach Affoltern zur Schaukäserei, wo der erste Verpflegungsposten wartete. Durch meinen frühen Start kam ich kurz vor den anderen Teilnehmern dort an und konnte mich bei Käse und Züpfen regenerieren. Auch hier war das Interesse an mir und dem Rad recht gross, allgemein hat mich der grosse Zuspruch der Teilnehmer und Besuchern überrascht. Schnell war mir klar, dass die Schweizer ihre Radfahrer auch heute noch lieben und schätzen.
Nachdem ich noch einige Minuten dem Käser bei der Arbeit wie in alter Zeit zugesehen hatte, ging ich an die Abfahrt nach Affoltern-Weiher, der längsten und recht steilen Abfahrt. Hier zahlte sich die Böni Bremse aus, der Torpedo hätte hier sicher schon geglüht, und das Quietschen der Stempelbremse auf nassem Pneu hätte dem Namen «lautlose Truppe» nicht entsprochen.
Doch schon kurz nach der schnellen Fahrt wartete eine Passage, wo ich unsicher war ob diese gefahren werden kann, oder erneut stossen angesagt war. Es ging eine Zeit lang gut, musste dann aber doch etwas über einen Kilometer auf dem recht steilen Anstieg stossen – diesmal aber begleitet von den Rennvelofahrern, die insgesamt nicht sehr viel schneller vorankamen als ich zu Fuss. Mir kam der Gedanke, dass womöglich selbst eine Ausrüstung der Ordonnanzräder mit einer Gangschaltung die Geschwindigkeit nicht wesentlich erhöht hätte, im Gegensatz zu Kosten und Wartungsaufwand. Während also die Rennvelofahrer an mir vorbeischnauften, musste ich mich nicht so sehr verausgaben. Dennoch war ich froh, als die Steigung ihr Ende fand und eine längere eher angenehm zu fahrende Passage auf der Höhe mit schönen Aussichten hinunter nach Sumiswald bevorstand.
Dort befand sich der zweite Verpflegungsposten auf nahezu halbem Weg der Strecke. Dort gab es warme Buurehamme, Brot und auch einen Kafi mit Schnaps für, sowie diverse Süssgebäcke. Es bestand auch die Möglichkeit, sich ein Wienerli – eingespannt zwischen zwei elektrische Kontakte – mit einem per stationärem Fahhrad, angeschlossen an einen Generator selbst warm zu strampeln. Mir war aber nicht wirklich danach. Der Regen war nahezu verschwunden, so dass ich hier auch den Umhang zunächst einmal verstaute. Nach etwas Aufenthalt ging es weiter über die Höhe nach Heimisbach, erneut war es notwendig ca. 1 km zu stossen. Mein Respekt vor der Radfahrertruppe wuchs mit jedem Schritt, und dies bei eher leichtem Gepäck. In Heimisbach begann der am schönsten zu fahrende Abschnitt, in leichtem Gefälle durch die kleinen Ortschaften auf dem Weg nach Grünen war es nicht notwendig ständig an der Bremse zu hängen oder angestrengt zu treten. Hinter Grünen dann eine kurze Schiebepassage, weiter über Lützelflüh nach Schafhausen zu dem dritten Verpflegungsposten. Hier wurde eine kräftige Suppe angeboten und erneute Fototermine für mein Rad und mich. Da ich gut in der Zeit für das restliche Stück von etwa 12 km lag, verweilte ich hier recht lange. Während der ganzen Fahrt stand ich mit einem Ordonnanzrad Freund aus München in Kontakt, der mein Fortkommen mit der Marschtabelle verglich und mich motivierte – ich revanchierte mich mit Bildern und Lageberichten. Hier in Schafhausen trafen auch die «grossen» Strecken wieder auf meine «kleine» Runde, so dass auch hier einiges aufkommen vorhanden war. Der Rest hatte aber noch zwei längere Steigungen parat, die erste würde ich sicher ein gutes Stück fahren können. Von Schafhausen ging es hoch über Biembach, hinter Biembach wurde ich von Passanten noch einmal kräftig vor dem bevorstehenden steileren Stück angefeuert. Es half leider nicht genügend, die letzten 700 m vor dem «Gipfel» war wieder Fussmarsch angesagt, begleitet wiederum von den kämpfenden Rennvelopiloten unter gegenseitigen motivierenden Zurufen. Der nicht sehr steile, aber stetige Anstieg steckte mir nun doch in den Beinen. Kurze steile Abfahrt nach Tanne, weiter bis zum Abzweig nach Breitenwald Es begann nun doch noch heftig zu regnen, so dass ich den Umhang nun doch wieder hervorholte auf den letzten Metern, um auf dem letzten Fussmarch von etwa 500 Metern nicht zu nass zu werden. Wissend dass nach diesem Anstieg nur noch abwärts gerollt werden musste, gab ich noch einmal alles . Wieder in Fahrt auf dem Berg, winkte man mir von einem Hof her freundlich zu bevor ich durch ein Waldstück nun doch noch ein Stück bis zur letzten Station gelangte. In strömendem Regen nahm ich noch einen doppelten Espresso und liess noch einige Erinnerungsfotos von mir anfertigen, bevor die Abfahrt nach Oberburg in Angriff genommen wurde um wenig später doch etwas müde, aber glücklich im Ziel einzufahren. Hier zeigte sich bald, dass die Uniform samt Umhang mir einen Vorteil verschaffte gegenüber den durch die Nässe frierenden Rennvelofahrer. Bedingt durch das schlechte Wetter wurde der Kreis der versammelten Teilnehmer schnell kleiner. Ich konnte noch ein kurzes Interview geben, wobei mein Interviewpartner sich auch als ehemaliger Radfahrer herausstellte. Es hätte sicher noch ein gemütlicher Ausklang werden können, aber so blieb mir nur noch ein kurzer Imbiss nebst einem Burgdorfer Bier, bevor ich den Heimweg antrat. Ich war um eine wirkliche Erfahrung reicher. Ich glaube nun eine ungefähre Vorstellung zu haben, was ein Radfahrer leisten musste. Ob ich in der Truppe bestanden hätte kann ich nicht sicher sagen – ich freue mich jedenfalls dass ich im Kreis der historischen Kompanie, also euch als Kameraden, ein wenig davon erleben darf – danke für die Aufnahme bei euch.